Solothurner Zeitung / NMZ; 2001-02-19; Seite 1b
SOLOTHUrn. Und wieder hat das Projekt einer
Evangelisch-reformierten Kantonalkirche einen Schritt vorwärts
gemacht. Einstimmig bei vier Enthaltungen wurde der
Verfassungsentwurf als Grundlage einer Kantonalkirche
gutgeheissen. 37 Synodale berieten als Vertreterinnen und
Vertreter ihrer Kirchgemeinden über den vorgelegten
Verfassungsentwurf. Dieser fand beinahe ungeteilte Zustimmung.
Damit ist der Weg frei für die Volksabstimmung am 10. Juni, an
der alle Angehörigen der evangelisch-reformierten Gemeinden um
ihre Meinung gebeten werden.
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Bericht Seite 9:
Ressort Region Solothurn publiziert am 19-Feb-2001 09:45
Freude bewegte die Mitglieder der Verfassungssynode der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden im Kanton Solothurn. Einstimmig bei vier Enthaltungen wurde der Verfassungsentwurf als Grundlage einer gemeinsamen Kantonalkirche gutgeheissen.
Gundi Klemm
Zur Erinnerung: Bisher gehören die Gemeinden der evangelisch-reformierten
Christen im Kanton Solothurn zwei unterschiedlichen
Organisationen an. Die Bezirkssynode Solothurn und Umgebung ist
von ihrer Jahrhunderte alten Verbindung zur Kirche des Kantons
Bern bestimmt, wie sie in einem gegenseitigen Staatsvertrag und
einer Verbandsordnung niedergelegt sind. Die übrigen
Kirchgemeinden sind bereits in einer Kirche im Kanton Solothurn
vereinigt. Als übergeordnetes Forum wurde ein Verband der beiden
Synoden gebildet. Seit zwei Jahren hat sich eine vorbereitende
Spezialkommission mit der Erarbeitung der Grundlagen für eine
alle Gemeinden umfassende Kantonalkirche beschäftigt. In der
wichtigen sechsten Zusammenkunft berieten 37 Synodale als
Vertreterinnen und Vertreter ihrer Kirchgemeinden über den nun
abschliessend vorgelegten Verfassungsentwurf.
Unter dem Präsidium von Boris Banga fand die neue
Kirchenverfassung, die die regierungsrätliche Arbeitsgruppe «Kirchendach»
schon im vergangenen Herbst gutgeheissen hatte, breiteste
Zustimmung. Die Möglichkeit zu Rückkommensanträgen wurde nicht
genutzt. 33 stimmberechtigte Anwesende sprachen sich mit der
Billigung des Verfassungstextes für den Beitritt zur evangelisch-reformierten
Kirche des Kantons Solothurn aus. Damit ist der Weg frei für die
Volksabstimmung am kommenden 10. Juni, an der alle Angehörigen
der evangelisch-reformierten Gemeinden um ihre Meinung gebeten
werden.
Die vier Enthaltungen aus dem Gebiet der Bezirkssynode Solothurn
zeigen, dass sich einzelne Gemeinden in der Kirche Bern-Jura
offenbar sehr gut aufgehoben fühlen. Namens der vorbereitenden
Kommission hatte ihr Präsident, der Theologe Hans Stricker, die
geschichtliche Bedeutung dieses Vorhabens im Spannungsfeld
zwischen kirchlichem und weltlichem Recht hevorgehoben. Die
geplante Neuordnung gebe zu keinerlei Sorge Anlass, dass etwa die
Autonomie der Kirchgemeinden angetastet werden könne, betonte er.
Die Ausarbeitung der im Entwurf längst vorliegenden
Kirchenordnung wird laut Stricker zu vertieften Diskussionen führen.
Die Differenz zur Kirche Bern-Jura sei nicht gross, beruhigte Werner Berger zum Thema neue Kirchenordnung. Ihre endgültige Ausgestaltung ist der künftigen Kantonalsynode vorbehalten. Marianne Frei orientierte über das Organigramm als innere Architektur der Kantonalkirche. Die Synode soll 60 Mitglieder umfassen. Jede Kirchgemeinde entsendet eine Vertretung. Die übrigen Mitglieder werden ernannt. Der siebenköpfige Kirchenrat könnte als Führungsgremium seine Arbeit im Ressortsystem erfüllen. Ruedi Köhli und Werner Berger machten den Leistungsauftrag des neuen Kirchendachs transparent. An den Angeboten wie bisher werde nicht gerüttelt, Doppelspurigkeiten der jetzigen Parallelorganisationen könnten abgebaut werden, ohne eine grosse Verwaltung auf Kantonsebene zu schaffen, zeigten sie sich überzeugt. Obwohl sich Quervergleiche mit anderen Kantonalkirchen als schwierig erwiesen, soll laut Köhli der budgetierte Finanzbedarf von rund 1,9 Mio. Franken für die im Leistungsauftrag definierten Aufgaben ausreichen. An diesem Gutachten waren die Finanzfachleute Hansjörg Nikles, Gunnar Paulsson und Heinz Schürch beteiligt. Grundsätzlich sei die künftige Kantonalkirche weder billiger noch teurer als die drei bestehenden Organisationen. Aber man spreche mit einer Stimme. Das weitere Vorgehen skizzierten die beiden Synodalpräsidien Max Misteli und Erich Huber. In ihren Ausführungen hatten sie beide Möglichkeiten - Annahme oder Ablehnung durch die Stimmberechtigten - in den rechtlichen Konsequenzen durchleuchtet.
Samuel Feldges, Präsident des Verbandes der reformierten
solothurnischen Synoden, dankte allen Beteiligten an der
Verfassungssynode. Nun seien die Voraussetzungen geschaffen, um
den Weg als selbstständige Kantonalkirche zu beschreiten. In
diesen Dank bezog er die partnerschaftlichen
Kirchenorganisationen in Bern und Basel ein. «Wir sind nun
bereit, erwachsen zu werden.» Feldges warb für eine faire
Information im Vorfeld der Abstimmung.
Als «Dessert» dieser wichtigen Zusammenkunft sprach Pfarrer und
Autor Ulrich Knellwolf unter dem Gotthelfschen Titel «AnneBäbi
fährt z'Märit» zu reformierter Identität und
Kirchenverfassung.
Erschienen in S Z am 19-Feb-2001 auf der Seite Region
Solothurn