Solothurner Zeitung / NMZ; 2001-04-10; Seite 24a
Infoabend «Reformierte Kantonalkirche» warb im
Bucheggberg um Zustimmung
Am 10. Juni soll in einer Urnenabstimmung die
Entscheidung fallen, ob alle evangelisch-reformierten Christen im
Kanton Solothurn künftig in einer Kantonalkirche zusammenleben.
An einer Informationsveranstaltung in Mühledorf zeigte sich,
dass es dazu im oberen Bucheggberg zwiespältige Meinungen gibt.
Gundi Klemm
Die beiden Bucheggberger Kirchgemeinden Messen und Oberwil
umfassen seit rund 450 Jahren sowohl solothurnische als auch
bernische Gemeinden. «Deshalb wollen wir zusammenbleiben»,
betonten Messens Kirchgemeindepräsident Peter Thomet und sein
Oberwiler Kollege Werner Bleuer. Man habe im Rahmen der Kirche
Bern-Jura bisher Unterstützung und Autonomie genossen und befürchte,
dass sich dies mit einer einheitlichen Kantonalkirche Solothurn
ändern werde.
Die Präsidenten der beiden übrigen grossen Bucheggberger
Kirchgemeinden, Max Misteli (Aetingen-Mühledorf) und Werner
Affolter (Lüsslingen-Nennigkofen), bekannten sich deutlich zum
geplanten Zusammenschluss, der auch gemäss
Konsultativabstimmungen von ihren Gemeindemitgliedern gewünscht
werde.
Endlich unter ein Dach
Einzig im Kanton Solothurn verfügt die evangelisch-reformierte
Konfession analog anderer Kantonalkirchen über kein
einheitliches Dach. Schon 1984 war, wie Irene Isch-Hofer (Nennigkofen)
übersichtlich zusammenfasste, nach früher erfolgten Versuchen
ein Vorstoss zur Bildung einer umfassenden, eigenständigen
Kirche gescheitert. Mit der zunehmenden Aufgabenfülle zeige sich
aber, dass sich die Arbeit auf den jetzt bestehenden, drei sich
überschneidenden kirchlichen Organisationsebenen schwerfälliger
und zeitintensiver gestalte. «Wir stehen in der Gefahr, hier
unsere guten Kräfte zu verschleissen», warnte Hans Stricker als
Präsident der (ein Kirchendach) vorbereitenden Spezialkommission.
Gegenwärtig sind die Gemeinden je nach Kantonsteil als
Bezirkssynode Solothurn und Umgebung der Kirche Bern-Jura
angeschlossen oder bereits als «Kirche im Kanton Solothurn»
vereinigt. Ein Staatvertrag mit Bern regelt die Zuständigkeiten.
Die rechtliche Aufsicht liegt beim Solothurner Regierungsrat.
Lediglich in «Kultusangelegenheiten» ist die Kirchenleitung
Bern-Jura für den oberen Kantonsteil zuständig. Eine wichtige
kantonale Klammer ergibt der Verband der reformierten
solothurnischen Synoden, dessen Kompetenzen offenbar auch nicht
eindeutig geregelt werden können. «Wir brauchen eine übersichtliche
und einfache Struktur», lautet deshalb die in der Mehrzahl der
protestantischen Gemeinden gewachsene Einsicht. Am 17. Februar
stimmte eine 37-köpfige Vertretung aller Kirchgemeinden mit 33:4
dem Verfassungsentwurf als Grundlage für eine neue
Kantonalkirche zu.
Gerüchteküche brodelt
Stricker betonte vor den rund 70 Anwesenden am Informationsabend
in Mühledorf, dass es im geplanten Zusammenschluss überhaupt
nicht um Macht gehe, sondern darum, dass die evangelisch-reformierten
Christen im Kanton endlich mit einer, dazu auch wirklich bevollmächtigten
Stimme sprechen und ihre Verwaltung möglichst sparsam und in «schlanker
Organisation» durchziehen könnten. Energisch trat er dem Gerücht
entgegen, dass es gleichzeitig mit der Kantonalkirche zu einem
Leistungsabbau gegenüber den Kirchgemeinden komme. Natürlich
werde man sich, wie der Budgetentwurf zeige, nach der Finanzdecke
von rund 1,9 Mio. Franken «strecken» müssen, ohne aber
definierte Aufgaben zu vernachlässigen.
Stricker beleuchtete auch die wider besseres Wissen immer wieder
zitierte Meinung, es flösse so viel Geld von der Berner Kirche
Aare abwärts nach Solothurn. Das Gegenteil sei richtig. Gegenwärtig
zahlen die solothurnischen Kirchgemeinden über eine halbe
Million in den bernischen Kirchenverband.
Alle des Problems bewusst?
Für beide Szenarien: Zustimmung oder Ablehnung bestehen bereits
Verfahrenspläne. Im positiven Fall wählen die Kirchgemeinden 60
Synodale, die den 7-köpfigen Kirchenrat bestimmen, der dann die
neue Kirchenordnung ausarbeitet. Bei einem mehrheitlichen Nein müssten
Aufgaben an die Bezirkssynoden übergeben werden und im unteren
Kantonsteil Zusammenarbeitslösungen mit Basel und Aargau gesucht
werden. Grundsätzlich gilt, dass Gemeinden, die
grossmehrheitlich ablehnen, zur neuen Kooperation nicht genötigt
werden.
Der zu Gunsten der Kantonalkirche argumentierende Journalist
Walter Brülisauer (Langendorf) appellierte an die Anwesenden,
nicht Schlagwörtern nachzulaufen sondern sich auch
staatspolitisch der Tragweite der bevorstehenden Entscheidung
bewusst zu werden. Ein Ja fördere auch den Zusammenhalt im
Kanton Solothurn. Die abschliessende, engagierte Aussprache
leitete der frühere Kantonsparlamentarier Fritz Burkhard (Messen).
Eine zusätzliche «Pro und Kontra»-Veranstaltung findet am 10.
Mai in der Mehrzweckhalle Lüterswil statt.
Erschienen in S Z am 10-April-2001 auf der Seite Mittelland