Mai 99
Die zwei reformierten Kirchenorganisationen im Kanton Solothurn peilen die Bildung einer Kantonalkirche an. Zwischen Juni und September findet eine entsprechende Konsultativabstimmung statt.
Was die Organisation der reformierten Kirche betrifft, ist
Solothurn ein Sonderfall: Acht Kirchgemeinden - jene des
Bucheggbergs sowie Grenchen-Bettlach, Solothurn, Derendingen, Lüsslingen
und Biberist - gehören dem Reformierten Synodalverband Bern-Jura
an und bilden die Bezirkssynode Solothurn; die Kirchgemeinden des
unteren Kantonsteils und des Schwarzbubenlandes sind in der «evangelisch-reformierten
Kirche im Kanton Solothurn» zusammengeschlossen. Gegenüber der
Kantonsregierung wiederum treten die beiden Organisationen im «Verband
der evangelisch-reformierten Synoden des Kantons Solothurn» auf.
Die eigenartige (und ausserdem ziemlich komplexe) Struktur hat
historische Gründe: Als einziges geschlossenes Gebiet innerhalb
des Kantons Solothurn blieb der Bucheggberg dank bernischer
Schirmherrschaft auch nach der Gegenreformation reformiert - im
Lauf der Zeit kamen angrenzende Gebiete dazu. Im übrigen
Kantonsteil entstanden reformierte Kirchgemeinden erst im Laufe
des 19. Jahrhunderts, als die Niederlassungsfreiheit eingeführt
worden war.
Aufwendige Struktur
Ein erster Anlauf, die beiden Gebilde angesichts des gewaltigen und kostenaufwendigen administrativen Überbaus unter einem Dach zu vereinigen, wurde 1984 unternommen - die Vorlage scheiterte aber damals am Widerstand der bern-orientierten Kirchgemeinden. Jetzt, 15 Jahre später und in Zeiten anhaltender Finanzknappheit, ist die Frage wieder auf dem Tisch: In den letzten Monaten sind verschiedene Varianten geprüft, auch eine Aufteilung der Kirchgemeinden auf die umliegenden Kantonalkirchen (Bern, Aargau und Basel) ist dabei ins Auge gefasst worden. Das deutliche Ergebnis der zahlreichen Arbeitsgruppen-Sitzungen und Kirchgemeinratspräsidenten-Konferenzen indessen lautet : Wir wollen eine reformierte Kirche im Kanton Solothurn. Der Zwischenbericht stellt für diesen Fall sowohl finanzielle als auch ideelle und strukturelle Vorteile in Aussicht.
Ab 2001?
Die Protagonisten des Zusammenschlusses sind entsprechend zuversichtlich und erwarten diesmal auch einen «weniger polemischen Abstimmungskampf». Sie tun das Ihre dazu: Demnächst erhalten alle reformierten Haushaltungen im Kanton eine Informationszeitung, die zur unvoreingenommenen Meinungsbildung beitragen soll. Dann, zwischen Juni und September, können sich die acht Kirchgemeinden der («bernischen») Bezirkssynode Solothurn im Rahmen einer Konsultativabstimmung zur Schlüsselfrage äussern: «Soll eine gemeinsame Verfassung für eine gemeinsame reformierte Synode des Kantons Solothurn ausgearbeitet werden?» (In den «Solothurner» Kirchgemeinden ist keine Abstimmung geplant - hier ist die Synode entscheidungsbefugt.) Je nach Ausgang des Plebiszits ist anschliessend die Konstituierung einer verfassungsgebenden Versammlung, später die Verfassungsabstimmung geplant, auf Anfang 2001 könnte die neue evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Solothurn starten.
Bern wartet ab
Und was sagt der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura,
der ja von den Solothurner Plänen unmittelbar betroffen ist und
allenfalls acht Kirchgemeinden abtreten muss? Er habe viel Verständnis
für die Erwägungen und «begrüsst es, dass neue Wege gesucht
werden», lässt er sich verlauten. In einem Staatsvertrag aus
dem Jahr 1958 wurde das Verhältnis zwischen der Berner
Kirchenregierung und den assoziierten Solothurner Kirchgemeinden
nämlich bereits geregelt: Letzteren wurde schon vor 40 Jahren
ausdrücklich die Freizügigkeit eingeräumt.
Veronika Sigrist/mlk