Juli 00
Solothurn - eine Aussenansicht
Das rückt näher: Läuft alles nach Plan, sollen die Solothurner Reformierten im November an der Urne entscheiden, ob sie eine eigene Kantonalkirche wollen. Je konkreter das Projekt, desto gereizter reagieren befürwortende und gegnerische ExponentInnen.
Die Solothurner Frauenvereine haben es vorgemacht. Vor sieben Jahren nämlich schlossen sich die und die aus dem unteren und oberen Kantonsteil im kantonalen Verband zusammen. , stellt Rosmarie Ledermann, Präsidentin der reformierten Frauen, nicht ohne Stolz fest. Nichtsdestotrotz macht sich die Küttigkoferin als Mitglied der Verfassungssynode für die Bildung einer Solothurner Kantonalkirche stark. Sie setzt grosse Hoffnungen ins neue Dach. Ein Neuanfang setze Kräfte frei, so Ledermann, und gäbe den Frauen die Möglichkeit, sich wieder stärker bemerkbar zu machen: «Viele Frauen arbeiten im Hintergrund. Zwei Drittel der Freiwilligenarbeit in der Kirche wird von Frauen geleistet. Jetzt wäre es an der Zeit, eine angemessene Vertretung von Frauen in Ämter und Gremien zu fordern, damit sie in den kirchlichen Strukturen auch nach aussen sichtbar sind.»
Zweiter Anlauf
Kräfte bündeln - das ist eines der Hauptargumente der Befürworter
einer eigenen Solothurner Kirche. «Wir können uns in der
heutigen Zeit schlichtweg nicht mehr drei Organisationen leisten,
die zum Teil dieselben Ziele verfolgen. Mit den jetzigen
Strukturen müssen wir Ämter und Gremien quasi drei Mal besetzen.
Hier könnten wir Kräfte sparen und die frei werdenden
Ressourcen in den Gemeinden einsetzen», ist Samuel Feldges überzeugt.
Feldges ist Präsident des und damit Exponent einer der drei
kirchlichen Verbände im Kanton. Rund 80 Funktionen, schätzt er,
könnten mit einer neuen Kantonalkirche eingespart werden.
Bereits vor 16 Jahren wurde ein erster Anlauf unternommen, eine
solothurnische Kantonalkirche zu gründen. Die Vorlage von 1984
scheiterte, weil sich der kirchliche Bezirk Solothurn
mehrheitlich für einen Verbleib bei der Berner Kirche aussprach.
Heute, so Erich Huber, sei die Ausgangslage eine komplett andere.
Als Präsident des Synodalrats der weiss er, wovon er spricht.
Die Kirche des unteren Kantonsteils habe als Mitglied des
Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK) zunehmend Mühe,
die erwarteten Leistungen zu erbringen. , bringt es Huber auf den
Punkt. Vor rund fünf Jahren hätten sie darum Gespräche mit den
Landeskirchen Baselland, Baselstadt und Aargau aufgenommen. Die
Kirchgemeindepräsidenten des oberen Kantonsteils reagierten
umgehend. , erinnert sich Huber.
Oberaufsicht beim Kanton
Damit war der Weg frei für einen weiteren Mitspieler: den Kanton Solothurn. , erklärt Helmuth Zipperlen, Leiter der Abteilung Kirchenwesen des Kantons Solothurn. Der Synodalrat der und die zum Synodalverband Bern-Jura gehörende Bezirkssynode Solothurn beauftragten eine Kommission, Grundlagen für eine Verfassungssynode bereitzustellen. Im vergangenen Sommer hatten zudem die Stimmberechtigten im oberen Kantonsteil Gelegenheit, sich konsultativ zum Kirchendach zu äussern. Die Mehrheit der Gemeinden sagte ja. Das sei das Signal für den Kanton gewesen, sich mit der Bildung einer regierungsrätlichen Arbeitsgruppe einzuklinken, sagt Zipperlen. Diese setzt sich aus Vertretern der Kantone Solothurn und Bern sowie der drei beteiligten Kirchen - Bern-Jura, Bezirkssynode Solothurn und Kirche im Kanton Solothurn - zusammen. Aufgaben der Arbeitsgruppe: Prüfung der neuen Verfassung, Festlegen des Abstimmungsverfahrens (Zeitpunkt, Vorgehen und Abstimmungstext) und - sofern die Abstimmung positiv ausgeht - Überprüfen der Staatsverträge zwischen den Kantonen Solothurn und Bern. Anfang Juli sollen erste konkrete Resultate vorliegen.
Schnelles Tempo
Das vorliegende Projekt hat die BefürworterInnen für einen Verbleib bei den Bernern auf den Plan gerufen. Das vorgelegte Tempo sei zu forsch, kritisiert Hannes Studer aus Lohn-Ammannsegg. Er fühle sich fast wie eine Zutat in einer Wurstfabrik. Studer ist ein Vertreter der Bezirkssynode Solothurn an der Berner Synode und einer der vehementesten Kritiker des Kirchendachs. , bemängelt er, . Ende Mai reichte er an der Berner Synode ein Postulat ein, das vom Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura verlangt, die SolothurnerInnen umfassend über die Folgen eines möglichen Kirchenwechsels zu informieren. Angesprochen ist dabei vor allem der Münsinger Pfarrer Andreas Zeller. Im Berner Synodalrat ist er Präsident der Solothurn Delegation, Mitglied der regierungsrätlichen Arbeitsgruppe Kirchendach und in regelmässigem Kontakt mit den zwölf Abgeordneten in der Berner Synode. Es sei keine Frage für ihn, betont er, dass . Er moniert aber Fehler in der Vorgehensweise. Seiner Meinung nach sind die Resultate der Konsultativabstimmung im vergangenen Sommer überinterpretiert worden: Er nimmt darum das Postulat sehr ernst und will sich in den kommenden Monaten für eine ausgewogene Information und eine einsetzen.
Fit für die Zukunft
Je näher die Termine rücken, desto nervöser reagieren BefürworterInnen
und GegnerInnen. Ende Mai liess die Solothurner Kirchgemeinde die
Öffentlichkeit wissen, sei und äusserte ihre Bedenken zum
Kirchendach. Just in diesen Tagen feiert die Solothurner
Kirchgemeinde ein Doppeljubiläum: 165 Jahre Kirchgemeinde
Solothurn und 75 Jahre reformierte Stadtkirche Solothurn. Nicht
gerade sensibel verhielt sich auch die Kirche im unteren
Kantonsteil: Ende Mai unterzeichnete sie das Nordwestschweizer
Konkordat mit den drei benachbarten evangelisch-reformierten
Landeskirchen Baselstadt, Baselland und Aargau. , meint Christoph
Knoch, Pfarrer in Langendorf und Mitorganisator des Solothurner
Jubiläums. Hannes Studer findet das Konkordat gar einen
strategischen Fehler. Es sei schlichtweg lächerlich, wenn der
untere Kantonsteil dem Konkordat beitrete, bevor das Kirchendach
gegründet sei. Überhaupt findet er die Gründung einer
Solothurner Kantonalkirche kleinkariert: Konkrete Gespräche über
einen - Bern/Jura/Freiburg/Neuenburg - seien bereits im Gang: Da
gehöre Solothurn auch dazu.
Solothurn wäre das einzige Mitglied eines solchen Raums ohne
eigene Kantonalkirche, argumentiert hinwiederum Samuel Feldges.
Auch er sieht die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der Kirchen.
Doch um beispielsweise in einem kantonsübergreifenden
Synodalverband mitmachen zu können, .
Froh um die kritische Auseinandersetzung zum jetzigen Zeitpunkt
ist Max Misteli, Präsident der Bezirkssynode Solothurn und Befürworter
des Kirchendachs. , ist er sich bewusst. Klar ist für ihn: Es
steht viel auf dem Spiel. wir jetzt kein Kirchendach gründen können,
splitten sich die Solothurner Reformierten auf die Kantone Bern-Jura,
Baselland und Aargau auf. Judith Stofer
Die Autorin ist Theologin und Freie Journalistin in Zürich.