DER BUND, Freitag, 1.6.2001, Seite 39
KIRCHENABSTIMMUNG / Wechseln rund 45000
Reformierte aus dem Kanton Solothurn von der Berner Kirche zur
neuen Solothurner Kantonalkirche? Die Abstimmung vom 10. Juni
wird zeigen, ob diese Solothurner Kantonalkirche gegründet wird
und ob sich die «bernischen» Kirchgemeinden dieser Solothurner
Kirche anschliessen wollen.
CHRISTIAN MOSER
Die Mehrheit der rund 80000 Reformierten im Kanton Solothurn
gehört nicht zur Solothurner, sondern zur Berner Kirche. Die
Kirchgemeinden im oberen Kantonsteil Solothurns sind Teil der
Reformierten Berner Kirche und somit auch Teil des Evangelisch-reformierten
Synodalverbands Bern-Jura. In den betroffenen acht Kirchgemeinden
Solothurn, Grenchen-Bettlach, Derendingen, Biberist, Lüsslingen,
Aetingen-Mühledorf, Messen und Oberwil wohnen 45000 Reformierte.
Und im Bucheggberg sind die Kirchgemeinden grenzüberschreitend
zusammengesetzt: Zur Kirchgemeinde Messen SO gehören fünf
solothurnische Gemeinden und mit Etzelkofen, Mülchi,
Ruppoldsried und Scheunen auch vier bernische. Die Kirche steht
in Messen, ein zweites Gotteshaus in Balm bei Messen. Und die
Kirchgemeinde Oberwil BE besteht aus der Berner Gemeinde Oberwil
bei Büren und aus fünf Solothurner Gemeinden. Die Kirche steht
auf bernischem Boden in Oberwil.
Prozedere à la Juraplebiszite
Am 10. Juni sollen nun die reformierten Solothurnerinnen und
Solothurner (und die Reformierten in den erwähnten Berner
Gemeinden) über die Gründung einer «Evangelisch-Reformierten
Kirche des Kantons Solothurn» entscheiden. Damit diese neue
Solothurner Kirche entstehen kann, braucht es zwei Mehrheiten:
- Die Mehrheit der Stimmenden im unteren solothurnischen
Kantonsteil muss Ja sagen zur Solothurner Kantonalkirche.
- Zudem braucht es ein Ja der Mehrheit der Stimmenden im oberen
Kantonsteil. Die Besonderheit da: Auch bei einem Ja der Mehrheit
der Stimmenden bliebe eine Kirchgemeinde, die eine Nein-Mehrheit
ausweisen sollte, weiterhin bei der Reformierten Berner Kirche.
Falls der untere oder der obere Kantonsteil mehrheitlich Nein
sagen würde, käme die neue Solothurner Kirche ebenfalls nicht
zustande. Es kommt also ein Verfahren zum Zug, das ein wenig an
die Jura-Plebiszite der Siebzigerjahre erinnert.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es im unteren Kantonsteil ein klares
Ja zur Solothurner Kirche geben wird, ist gross. Für den oberen
Kantonsteil will niemand so recht eine Prognose wagen. Es scheint
aber durchaus möglich, dass es zwar eine Ja-Mehrheit geben wird,
dass aber einzelne Kirchgemeinden für einen Verbleib bei Bern
votieren werden.
Messen und Oberwil
Zu diesen Kirchgemeinden könnten Messen und Oberwil gehören mit
ihren bernischen Gemeinden. Der Kirchgemeinderat Messen hat sich
jedenfalls mit 12 gegen 0 Stimmen deutlich gegen das
solothurnische Kirchendach ausgesprochen. Das Zusammenleben mit
der Reformierten Berner Kirche habe sich bewährt und eine hohe
Autonomie der Kirchgemeinden ermöglicht, wurde argumentiert.
Peter Thomet, der Kirchgemeinderatspräsident von Messen, gibt
aber ohne Umschweife zu, dass die Solothurner Kirche zum Beispiel
in Bezug auf den Religionsunterricht an den Schulen «besser ist
als Bern». Dafür brauche es aber keine Reformierte Solothurner
Kantonalkirche; da genüge der Verband der evangelisch-reformierten
Synoden des Kantons Solothurn, in dem die Reformierten des
unteren und des oberen Kantonsteils zusammengeschlossen sind.
Auch der Präsident der Kirchgemeinde Oberwil, Werner Bleuer, ist
für eine Zusammenarbeit der Reformierten im Kanton Solothurn.
Aber auch für ihn gilt: Dafür braucht es keine neue Solothurner
Kirche. «Mir wei binand bliibe», sagt er und meint damit: «Wir
wollen bei der Reformierten Berner Kirche bleiben.» Auch der
Kirchgemeinderat von Oberwil hat mit 8 Ja gegen 1 Nein das
Kirchendach abgelehnt. Und ein Nein (11 gegen 2 Stimmen) gab es
auch vom Kirchgemeinderat der Stadt Solothurn.
«Zeit ist gekommen»
Es gebe viele Anzeichen dafür, «dass die Zeit für einen
Zusammenschluss gekommen ist». Das schreiben die Befürworter
der Solothurner Kantonalkirche. Eine vereinte Kirche mit 80000
Mitgliedern würde auch «die Verbindungen zu den kantonalen
Nachbarkirchen der Nordwestschweiz vereinfachen, aber auch stärken».
In einer Zeit des Wandels und des Umbruchs sei es, so das Ja-Aktionskomitee,
«bedeutsam, im Kanton der Regionen auch den evangelisch-reformierten
Menschen eine kantonale Organisation zu geben, welche die Einheit
in der Vielfalt fördert, fern jeder Gleichmacherei».
Der Synodalrat der Reformierten Berner Kirche hat sich weitgehend
aus dem Abstimmungskampf herausgehalten. In einem Gespräch mit
dem «Saemann» betonte Synodalrat Andreas Zeller aber, es sei
klar, dass nicht der Berner Synodalrat «diesen Prozess ausgelöst
hat». Als kirchliche Oberbehörde der acht Kirchgemeinden im
oberen Kantonsteil habe der Synodalrat «auf die Einhaltung
demokratischer und juristischer Regeln geachtet». Sollte das
neue Solothurner Kirchendach abgelehnt werden, bliebe also die
Mehrheit der Reformierten Solothurns weiterhin bei der Berner
Kirche. Und dann müssten gleichwohl ein paar Punkte eingehend
diskutiert werden. So sähen es viele Reformierte im Bucheggberg
gerne, wenn schon aus dem Kirchennamen ersichtlich würde, dass
zu den Reformierten Kirchen Bern-Jura auch solothurnische
Kirchgemeinden gehören. Weiter käme wohl die Frage einer ständigen
Vertretung der Solothurner im Synodalrat der Reformierten Berner
Kirche aufs Tapet. Seit dem Rücktritt von Synodalrätin Doris
Feldges im Jahr 1999 sind die Solothurner in der Exekutive der
Reformierten Kirchen Bern-Jura nicht mehr vertreten.