Dokumentation Fachstellen - 2
Fachstelle Suchtfragen
Trägerschaft: Reformierte Kirchen Bern-Jura (Bereich Sozial-Diakonie)
Zielsetzungen und Arbeitsgrundsätze
Die Fachstelle will die Situation von Betroffenen (Suchtmittelabhängigen)
und ihren Angehörigen verändern, indem sie diese berät, die
Rahmenbedingungen (Wohnen, Arbeiten) mit Projekten verbessert und
sich in der Prävention engagiert. Eine gleichwertige Verteilung
der Mittel auf die Bereiche Beratung, Projekte und Prävention
wird angestrebt. Grundsätzlich richtet die Fachstelle ihre
Arbeit an den Ressourcen der Betroffenen aus, d.h. werden Kräfte
gefördert, die zu einer besseren Bewältigung von Krisen
beitragen. Die Präventionsarbeit basiert wesentlich auf dem
Multiplikatoren-Ansatz.
Tätigkeitsbereiche und Zielgruppen
Weil aus staatlicher Perspektive Sucht lange ein medizinisches
Problem war (und es oftmals immer noch ist), gibt es vor allem in
der Beratung und Nachsorge Lücken (Wohnen, Arbeiten,
Schuldensanierung). Dies bedeutet, dass in den öffentlichen
Sozialdiensten praktisch kaum Kapazität für die Bearbeitung
solcher Hintergrundprobleme vorhanden ist. Hier engagiert sich
die Reformierte Kirche seit langem, u.a. mit der Fachstelle
Suchtfragen. In der Beratung werden alle Facetten der
Suchtproblematik angesprochen. Neben der Information über
Entzugs- oder Therapiemöglichkeiten und der Abklärung von
Massnahmen zur sozialen Reintegration geht es oft auch darum, die
Bedingungen aufzuzeigen, die eine Inanspruchnahme von Leistungen
des Staates ermöglichen.
Neben der Beratungstätigkeit initiiert und fördert die
Fachstelle Projekte, die zur Verbesserung der Situation von
Suchtmittelabhängigen beitragen, so mehrere Wohn- und
Arbeitsprojekte wie etwa Betreutes Wohnen Muri Gümligen,
Begleitetes Wohnen Worb, werkplatz bern. Der von der Fachstelle
mitgegründete Verein «Dach Thun» vereint Menschen, die sich
aktiv «mit Fragen wie Arbeit, Raumschaffung für
Ideenentwicklung und Zeit befassen. Er entwickelt Ideen, um durch
konventionelle und unkonventionelle Formen neue Problemlösungen
zu finden.» (Leitbildauszug).
Präventionsarbeit wird in Form von Elternabenden,
Informationsveranstaltungen, Mitarbeit in andern Projekten,
Erfahrungsaustauschgruppen u.a. geleistet. Überdies werden
Theologie-StudentInnen im Diakonie-Praktikum begleitet oder
werden die Erfahrungen auch an Seminarien zu Suchtfragen an der
Universität Bern weitergegeben. Aktuell wird ein
Arbeitsschwerpunkt Migration und Sucht im kirchlichen Kontext
aufgebaut. Nicht zuletzt aufgrund des Wissens und der breiten
Erfahrungen der FachmitarbeiterInnen hat auch die Öffentlichkeits-
und politische Lobbyarbeit einen sehr hohen Stellenwert.
Zielgruppen der Fachstelle sind die Suchtmittelabhängigen selber
und ihre Angehörigen (die sich periodisch in begleiteten Angehörigengruppen
treffen), Arbeitgeber und Wohnungsvermieter. Ferner sind es auch
Freiwillige, die sich in Projekten für Drogenabhängige
engagieren wollen und - im Bereich Prävention - Schulen bzw.
Schulklassen und Unterrichtende. Die KlientInnen stossen über
andere Beratungsstellen, über Therapie-/Entzugsstationen,
gassennahe Institutionen oder innerkirchliche Strukturen (Pfarramt,
Spitalseelsorge) zur Fachstelle.
Personal und Finanzierung
Die Fachstelle Suchtfragen beschäftigt 9 Personen auf 4.2
Stellen (inkl. Sekretariat). Freiwillige leisten in den
verschiedenen Projekten pro Jahr rund 1700 Stunden unbezahlte
Arbeit. Die Fachstelle wird von den Reformierten Kirchen Bern-Jura
finanziert. Spenden und Kollekten ermöglichen die Beteiligung an
oder Mitfinanzierung von Arbeits- und Wohnprojekten.
Vernetzung
Die Fachstelle ist breit vernetzt: intern mit den andern
gesamtkirchlichen Fachstellen, aber auch extern sowohl mit
privaten Trägerschaften von Wohn- und Arbeitsprojekten (wo
Mitarbeitende der Fachstelle auch Vorstandsarbeit übernehmen),
im professionellen und politischen Umfeld. Eine kooperative
Zusammenarbeit existiert auch mit dem «Bernischen Forum der
Jugend-, Eltern- und Drogenberatungsstellen (BeFo) ».
Erfolge - Wirkungen
Ihre besonderen Stärken und damit die Basis für eine wirksame Tätigkeit
sieht die Fachstelle in den Rahmenbedingungen der kirchlichen
sozial-diakonischen Arbeit, im vereinigten Know-how, im
professionellen und persönlichen Netzwerk, in der durch die
kirchliche Einbettung möglichen Flexibilität, in kürzeren
Entscheidungswegen und im Goodwill, den sie seitens der Bevölkerung
geniesst. Die Erfolge sind belegt durch die verschiedenen Arbeits-
und Wohnprojekte, durch den nachhaltigen Einbezug von
Freiwilligen, durch die anhaltend zahlreichen Anfragen im
Beratungs- und Präventionsbereich, die Rückmeldungen von
KlientInnen oder Angehörigen. Die Bemühungen der Fachstelle die
in schwierigem Felde arbeitet - erscheinen bisweilen wie der
Tropfen auf einen heissen Stein; KlientInnen und ihre Angehörigen
sehen dies für sich aber anders.
Aktuelle und zukünftige Problembereicbe
Heute steht die Fachstelle Suchtfragen in gewissem Sinne wieder
am Ausgangspunkt ihrer Arbeit. Der Staat und die politischen
Gemeinden beurteilen ihre Aufgaben wieder zunehmend nach
administrativen Gesichtspunkten und Massstäben von «Effizienz»
(z.B. Zeiteinheit pro «Fall»). Dementsprechend sind
psychosoziale Aspekte der Sucht kaum mehr relevant, als Folge spürt
die Fachstelle grösseren Nachfragedruck auf ihrem
Beratungsangebot. Die Frage nach effizientem Funktionieren wird häufiger
gestellt werden. Andererseits zeichnen sich auch neue
Zusammenarbeitsformen ab, indem Dienstleistungen der Fachstelle künftig
wohl auch vermehrt verkauft werden.
Quellen: Sucht sucht Sinn - sucht Sucht Sinn?: Zwei-Jahresbericht
1996/97 Fachstelle Suchtfragen: Jahresbericht 1998 Ohne Titel.
Kleine Broschüre der Fachstelle Suchtfragen in Bern
Quelle: Ch. Landert, Landert Farago Davatz & Partner, Zürich,
Die Leistungen der Reformierten Kirchen Bern-Jura in Diakonie und
Beratung, Bildung und Kultur, im Auftrag der Synode des
Evangelisch-Reformierten Synodalverbandes Bern-Jura (2000) S. 70-71